Der Pfad des Geheimen Mantra kann in zehn Elemente unterteilt werden.
Die Sichtweise, das Verhalten, Mandala, Ermächtigung und Samaya, Opfergaben, Mantra, Konzentration, Aktivitäten, Vollendung: So sollten die Tantras des Geheimen M antra unterteilt werden.
Betrachten wir diese der Reihe nach. Die Sichtweise betrifft die letztendliche Realität; das Verhalten ist das Aufgeben von Beschränkungen; das Mandala ist die Anordnung der Erscheinungen; die Ermächtigung zeigt den allmählichen Fortschritt an; Samaya ist das, was nicht übertreten werden darf; Opfergaben sind die Dinge, die den verschiedenen Sinnen dargeboten werden; Mudras binden, während Mantras rezitiert werden; Konzentration ist unerschütterlich; erleuchtete Aktivität wird gezeigt; Vollendung ist das, was angestrebt wird. Dies sind die sogenannten zehn Elemente der Tantras (oder elf, wenn Mudra und Mantra getrennt gezählt werden).
Dieselben Elemente sollten auf folgende Weise verstanden werden. Die Ansicht ist die unverfälschte Erkenntnis der grundlegenden Natur der Wissensobjekte oder Phänomene. Korrektes Verhalten in Bezug auf die für das Geheime Mantra spezifischen Aktivitäten besteht im Aufgeben der Beschränkungen des dualistischen Anhaftens. Die Phänomene der Stufen von Grund, Pfad und Ergebnis und die Anordnung aller Erscheinungen sind vollkommen wie das (Mandala der) Gottheit. Die Ermächtigung gibt die Fähigkeit, allmählich zu den Ebenen der gewöhnlichen und der letztendlichen Verwirklichung vorzudringen. Samaya besteht darin, die spezifischen Gebote nicht zu übertreten. Die gesamte phänomenale Existenz entsteht als Mudra der Opfergabe an die verschiedenen Sinnesfähigkeiten der Gottheit und an den Zustand der letztendlichen Realität. Für jemanden, der die wahre Natur der Phänomene, ihre drei Seinsweisen und ihre vierfache Verankerung erkennt, ist jede Bewegung des Atems Mantra. Alle Erscheinungen und Aktivitäten sind vollkommen vom Gewahrsein versiegelt; sie entfernen sich nicht von den vier Mudras. Die Konzentration wandert nicht von den tiefgründigen Stufen der Erzeugung und Vervollkommnung. Der Einsatz von Aktivitäten, die untrennbar mit der Sicht der letztendlichen Realität verbunden sind und die Natur der vier grenzenlosen Geisteshaltungen haben, ist sowohl für einen selbst als auch für andere von Nutzen. Vollendung schließlich bezieht sich auf das authentische Erreichen der gewünschten Verwirklichung.
Diese zehn Elemente lassen sich wie folgt zusammenfassen. Ermächtigung ist der Eintritt in den Pfad des Mantrayana. Denn obwohl wir in ihrem kausalen oder grundlegenden Aspekt bereits die vier Vajras von Körper, Rede, Geist und ursprünglicher Weisheit besitzen, sind sie noch nicht zu ihrem endgültigen resultierenden Zustand herangereift. Die zugehörige mitwirkende Bedingung für diese Reifung oder Verwirklichung ist Ermächtigung. Ermächtigung befähigt einen, über die vier Pfade zu meditieren und die vier resultierenden Kayas zu erlangen. Wie Vimalamitra in seinem Grundlagentext sagt:
So wie das Schärfen einer Klinge Kraft verleiht, gibt Ermächtigung, wenn sie wirklich erlangt wird, Kraft.
Und doch ist es nicht genug, nur eine Ermächtigung zu erhalten. Mit Ausnahme derjenigen, die das höchste Glück haben, die Befreiung genau im Moment der Einweihung zu erlangen, müssen alle anderen fleißig die Stufen der Erzeugung und Vervollkommnung meditieren. Dies sind die geschickten Mittel, durch die es möglich ist, sich von dem eigenen gewöhnlichen Körper, der Rede und dem Geist zu befreien, zusammen mit ihren gewohnheitsmäßigen Tendenzen, die das Antlitz der eigenen, innewohnenden, ursprünglichen Weisheit verhüllen. Und selbst wenn man über diese beiden Stufen meditiert, werden die beiden Errungenschaften nicht erreicht, wenn man es versäumt, das Samaya zu halten. Deshalb muss man in der eigenen Verhaltensweise und als günstige Bedingung für den Pfad der Praxis das Samaya vollkommen einhalten, wie die Tantras erklären. Wenn diese drei Elemente (Ermächtigung, Praxis und Samaya) zusammen aufrechterhalten werden, ist der Pfad des Mantrayana dem der Paramitas weit überlegen. Er ist ohne Zweifel der authentische, höchste Pfad. Wenn man andererseits versucht, die Stufen der Erzeugung und Vervollkommnung zu praktizieren, ohne Ermächtigung zu erhalten, oder wenn man praktiziert, aber gleichzeitig das Samaya vernachlässigt, ist der eigene Pfad nur ein schwacher Abglanz des Mantrayana-Pfades; er ist weder unverfälscht noch erhaben.
Aus dem „Schatzhaus der kostbaren Qualitäten“ (Treasury of Precious Qualities; vol. 2; Vajrayana and the Great Perfection by Jigme Lingpa; Commentary by Longchen Yeshe Dorje, Kangyur Rinpoche). Übersetzt vom Ngak’chang Rangdrol Dorje (Enrico Kosmus, 2021). Möge es von Nutzen sein!
Oh Kind aus guter Familie, bis du den Zustand der großen, den Intellekt übersteigenden Erschöpfung der Phänomene erlangt hast, überprüfe die Art und Weise wie Karma reift, ohne das es jemals einfach verschwindet und praktiziere fehlerfrei das Annehmen von Heilsamen und das Aufgeben von Laster. Erkenne die ungeheure Wichtigkeit davon und behüte es wie dein eigenes Leben. Insbesondere musst du die Wichtigkeit des Aufgebens des kleinsten Lasters und der geringsten Untat im Auge behalten. Wenn du das nicht machst und du hinsichtlich unheilsamen Verhalten verwirrt bist, dann wird die Macht der Übeltaten anwachsen bis vielleicht aufgrund der subtilen Verbindung zwischen Taten und ihren Ergebnissen verschiedene Verunreinigungen der gewohnheitsmäßigen Neigungen sich verbinden und gewaltige Konsequenzen auftreten werden und sie werden dich unerbittlich forttragen. Daher ist das Wissen um die Bedeutung von Handlungen und ihren Folgen wie die Augen, die dich befähigen, den Pfad zu sehen.
Durch Erwägungen über die Natur des Leidens im Daseinskreislaufs erkenne, dass der Daseinskreislauf wie eine Feuergrube, ein Schlangennest und wie ein Land der Rakshasas ist, ohne die geringste Gelegenheit auf Glück und widme dich ganz dem Streben nach Befreiung. Behalte diese Unerlässlichkeit des Erzeugens im Geist, bevor du ein Dharma-Praxis ausführst. Jene, die ihren Geist nicht auf diese Weise üben, auch wenn sie versuchen, die tiefgründigen praktischen Anweisungen anzuwenden, werden aufgeben und versagen, die Praxis bis zu ihrem Höhepunkt auszuführen, sobald Schwierigkeiten und kleine Dinge wie Hunger und Durst auftauchen. Nachdem du dich also in den Vier Gedanken, die den Geist wenden, geschult hast, ist es lebenswichtig, dass du diese ohne sie zu vergessen, jederzeit und in allen Lebenslagen beständig im Gedächtnis behältst. Das zu machen, ist das unübertroffene Kronjuwel aller Dharma-Praktizierenden.
Meditativer Gleichmut und postmeditative Phase
Was nun die Hauptpraxis angeht, so werden wahres Wissen und Erkenntnis des einen Geschmacks von allem in Samsara und Nirvana im Ozean des ursprünglichen Grundes, die Sicht der riesigen Weite des Raumes genannt und das umfasst die Manifestation deiner eigenen Natur als die Dharmakayas, frei von Zeichen. Was die Meditation angeht, so hat seit anfangslosen Lebenszeiten im Daseinskreislauf der ursprüngliche, uranfänglich grundlegende Samantabhadra den Geistesstrom aller fühlenden Wesen durchdrungen, so wie Sesamöl die Sesamsamen durchdringt. Jedoch unter dem Einfluss des dualistischen Greifens und Festhaltens an wahrer Existenz ist der Geist verdunkelt worden, so als ob die Finsternis hereingebrochen wäre und ist getäuscht worden. Aber nun, abgesehen vom Erkennen deiner eigenen Natur, gibt es nichts, auf das zu meditieren wäre und du erlangst Freiheit für dich selbst. Als ein Ergebnis, dass du deinen eigenen Grund erkennst, wird Freiheit im Bereich des angeborenen Raumes erlebt, strukturlos und vom Intellekt nicht verändert und du bist endlos in die große, selbstentstandene, ursprüngliche Ruhe versunken. Das ist als ob sich Raum mit Raum vermischt.
Früher hat dein Verstand zwischen einem Außen und Innen unterschieden und danach gegriffen, als ob sie verschieden wären. Nun hast du Gewissheit erlangt, dass es kein Außen und Innen gibt und du bist zur Natur der großen, alles durchdringenden Offenheit gelangt und das wird Meditation frei vom Intellekt und frei von Aktivität genannt. Im Zustand einer solchen Meditation lass deinen Körper bewegungslos ruhen, ohne ihn zu verändern, wie einen Leichnam am Leichenplatz. Die Stimme nicht zu verändern hat zur Folge, dass alle Rede und Rezitationen aufgegeben werden, als ob deine Stimme eine Laute wäre, deren Saiten durchtrennt worden sind. Den Geist nicht zu verändern hat zur Folge, dass man sich ganz natürlich in den Zustand des ursprünglichen Seins entspannt, ohne es in irgendeiner Weise zu verändern. Dies drei beinhalten auch das Aufgeben der Aktivitäten von Körper, Rede und Geist und das Niederlassen in meditativem Gleichmut, der frei von Aktivität ist. Aus diesem Grund wird dies meditativer Gleichmut genannt.
Wann immer du irgendeine Art der körperlichen oder sprachlichen Aktivität ausführst, wie Essen, Hinlegen, Gehen, Sitzen oder auf einem Marktplatz oder in einer Menschenmenge zu sein, bewahre das beständige Gewahrsein darüber, dass alle Dinge Ausdruck der Ungetrenntheit von Samsara und Nirvana sind, ohne jemals die Macht dieser Sicht zu verlieren. Entferne dich niemals aus dem Zustand des offenkundigen Gewahrseins, frei von Handlung, in dem die inneren Tiefen der Meditation nicht aufgegeben werden. Enthalte dich der Negativität unheilsamer Taten, als ob sie Gift wäre und gestatte niemals deinem Verhalten in Sorglosigkeit zu verfallen. Was dein körperliches Verhalten angeht, so handle ruhig und besonnen, fest und entschlossen, wie eine Tonstatue. Beim Gehen, bewege dich bedächtig, setze jeden Schritt in unbeschwerter Weise. Lass dein Benehmen wie das eines Löwen sein, ohne deinen Kopf umherzuwenden oder rasch nach rechts oder links zu blicken. Beim Aufstehen stehe langsam auf, nicht hastig und beim Essen kaue und schlucke mit Bedacht, nicht wie ein Yak, der Gras hinunterschlingt. Wenn du mit anderen sprichst, dann enthalte dich leichtfertiger und schnippischer Rede und sprich sanft und mit Bedacht. Stimme deine Rede ab, sodass du die Wahrheit zum Ausdruck bringst, freundlich und unbeschwert sprichst, ohne den Geist anderer zu stören. Lass deinen Geist ruhig, beherrscht und weit sein, ohne emotionalen Schwankungen unterworfen. Habe gütige Gedanken und große Selbstlosigkeit und ohne Hinterhältigkeit oder Selbstüberschätzung zu sprechen und sich zu verhalten ist die Art und Weise, wie du deinen Geist dem Dharma zuwendest.
Insbesondere als ein Zeichen deiner eigenen großen Fehler siehst du jeden als fehlerhaft, ohne jemanden als fehlerlos wahrzunehmen. Diese Wahrnehmung ist wie die jener Leute, die alles als Schlangen ansehen, wenn sie Datura gegessen haben oder jene mit dem Leiden einer Gallenstörung, die eine weiße Muschel gelb sehen. Die Leute, die anders sind als du, werden ausnahmslos als unvollkommen wahrgenommen, während du keine Fehler bei jenen siehst, die dir nahe sind wie deine Brüder, Schwestern, Neffen und Onkel. Sie werden immer als gut betrachtet. Du betrachtest deine eigene Site als göttlich und die andere Seite als dämonisch. Hör auf damit! Betrachte jeden als fehlerlos und erkenne alle Fehler als deine eigenen. Das ist ein entscheidender Aspekt in deinem Verhalten. Wenn du Ansehen und Ruhm besitzt, missachte nicht jene, die schwach, machtlos, verarmt und schüchtern sind. Denn wenn du versagst, freundlich zu allen zu sein, dann besteht die Möglichkeit, dass solch ein Unglück dir vielleicht widerfährt und sie werden sich alle im Zorn gegen dich erheben. Weil die Lebensumstände degenerieren, werden jene in königlicher Stellung, Macht und Reichtum eventuell in niedrige Bereiche und Armut fallen. Indem du diese Angelegenheit untersuchst, hege gegen niemanden Bösartigkeit. Das ist wichtig.
Aus dem Vajra-Herz-Tantra; von Dudjom Lingpa; übersetzt vom Ngak’chang Rangdrol Dorje (Enrico Kosmus, 2015). Möge es von Nutzen sein!
Das kurze Dudjom Tersar Ngöndro ist eine Terma-Praxis, die von Guru Rinpoche selbst im 9. Jahrhundert verfasst und dann verborgen und später von Dudjom Lingpa (1835-1904) als Teil eines Zyklus reiner Visionen, bekannt als Dagnang Yeshe Drawa, „Das Weisheitsnetz der reinen Visionen„, offenbart wurde. Dudjom Lingpas nächste Wiedergeburt, Dudjom Jigdral Yeshe Dorje (1904-1987), der uns als Dudjom Rinpoche bekannt ist, erweiterte und klärte den Text später und lehrte ihn weithin.
Dudjom Rinpoche selbst sagte über den Text der kurzen Rezitation:
Dies ist eine kompakte Rezitation der vorbereitenden Praktiken, die die wesentliche Bedeutung klar verdeutlicht und für diejenigen gedacht ist, die die umfangreichen vorbereitenden Praktiken nicht verstehen oder nicht rezitieren können.
Dudjom Rinpoche Jigdral Yeshe Dorje
Hier die Leseübertragung und Praxis der grundlegenden Übungen aus dem Dudjom Tersar:
Diese vorbereitende oder grundlegende Praxis des Vajrayana-Buddhismus ist ein tiefgreifendes und kraftvolles Mittel, um Transformation durch Reinigung und die enorme Anhäufung von Verdiensten zu bewirken.
Das Ngöndro besteht aus drei Teilen: 1) äußere Grundlagen; 2) innere Grundlagen; und 3) geheime Grundlagen.
Die äußeren Grundlagen umfassen die Anrufung an den Lama, dann die vier Gedanken, wie die Kostbarkeit der menschlichen Geburt, Vergänglichkeit und Tod, Karma und die Unzulänglichkeit der bedingten Existenz – auch als „Leidhaftigkeit“ bekannt – und schließlich dem Wunsch, dass sich der eigene Geist dem Dharma zuwendet. Diese Verse kann man längere Zeit rezitieren und über ihre Bedeutung nachdenken, bis sich ein gewisses Gefühl der Entsagung im eigenen Geist breitgemacht hat. Denn so lange man noch immer nach Glück im Rahmen der weltlichen Belange sucht, wird der Pfad des Buddhadharma seine befreiende Wirkung nicht entfalten können.
Die inneren Grundlagen sind jene, die nach dem Eintritt in den Dharma die Basis für den Pfad bilden. Manchmal werden sie auch als spezielle Grundlagen bezeichnet. Die erste innere Grundlage ist die Zuflucht, wodurch man in den Pfad des Buddhadharma eintritt. Verbunden mit der Rezitation der Zufluchtsverse werden vollständige Niederwerfungen ausgeführt und angesammelt.
Die zweite innere Grundlage ist das Hervorbringen der unübertrefflichen Geisteshaltung – auch „Erleuchtungsgeist“ oder einfach „Bodhicitta“ genannt. Diese besteht wiederum im Entwickeln der vier unermesslichen Geisteshaltungen wie Gleichmut, Güte, Mitgefühl und Freude, welche das wünschende Bodhicitta darstellen. Dann folgt das angewandte Bodhicitta mit den sechs Paramitas bzw. überweltlichen Handlungen. Dies geschieht, indem man Großzügigkeit, ethische Disziplin, Duldsamkeit, freudiges Streben, Sammlung und höchstes Erkennen aus einer nicht-referenziellen Sicht heraus auf die fühlenden Wesen als Objekte des Mitgefühls anwendet und so Tonglen – „Aufnehmen und Aussenden“ – bwz. der Austausch von Leid der anderen und dem eigenen Glück anwendet. Bis zu diesem Punkt werden die Ansätze des Hinayana (der individuellen Befreiung) und des Mahayana (der allumfassenden Befreiung) praktiziert.
Die geheimen Grundlagen sind der Pfad der geschickten Mittel, wie er im Vajrayana beschrieben wird. Hier beginnt man zunächst mit den äußeren Tantras und beginnt durch die Mandala-Darbringung die zwei Ansammlungen von Verdienst und Weisheit zu vervollständigen. Diese beiden bilden die Wurzel für die Verwirklichung von Dharmakaya und Rupakaya. Obwohl man diese Praxis auch im sparsamen „Yogi-Stil“ mittels Mantra, Mudra und Samadhi – also durch Rezitation, Geste und Konzentration – durchführen kann, ist es von Vorteil, Substanzen zu verwenden. Dazu benötigt man zwei Mandala-Platten, die aus edlen Metallen oder auch aus Ton oder Glas sein können. Auf einer Mandala-Platte arrangiert man entweder fünf Haufen aus Reis oder stellt fünf Tormas aus Teig auf. Diese dient als Repräsentation auf dem Altar. Die andere Mandala-Platte verwendet man für die Praxis der Ansammlung selbst.
Zuerst bereitet man die Ansammlungssubstanzen sorgfältig vor, indem man Reiskörner wäscht und mit Lebensmittelfarbe in fünf Farben einfärbt oder verschiedene Getreide miteinander vermischt. Man kann auch kleine Edelsteine und andere Kostbarkeiten dazugeben. Dann füllt man eine Ritualvase mit Safranwasser. Damit besprenkelt man die Mandala-Platte, die man in der linken Hand hält und reinigt diese Platte, indem man mit dem Handballen im Uhrzeigersinn kreisen das Safranwasser auf der Platte verteilt und verwischt. Dabei rezitiert man das 100-Silben-Mantra des Vajrasattva. Dann visualisiert man vor sich das Feld der Verdienstansammlung und rezitiert ein Mal die Verse der Darbringung des 37-Punkte-Mandalas und beginnt mit der eigentlichen Ansammlung. Beginnend im Zentrum, dann unmittelbar vor einem (Osten), weiter nach links (Süden), entfernt von einem (Westen) und schließlich rechts von einem (Norden) häuft man Reis auf der Platte an und macht noch zwischen Westen und Osten auf der Platte kleine Reishäufchen. Diese sieben Getreidehaufen symbolisieren den Berg Meru, die vier Hauptkontinente, sowie Sonne und Mond, und werden als 7-Punkte-Mandala bezeichnet. Dennoch visualisiert man bei dieser Ansammlung und Rezitation das 37-Punkte-Mandala. Wenn die sieben Punkte des Mandalas fertig sind, wischt man es mit einer Handbewegung von links nach rechts in ein Tuch, das man im Schoß hat und beginnt wieder von Neuem mit der Ansammlung. So geht es weiter, bis alle Getreidekörner aufgebraucht sind. Dann füllt man wieder den Aufbewahrungsbehälter und beginnt von Neuem. Am Ende der Praxis verschmilzt das Verdienstfeld zu Licht und löst sich in einen auf. In diesem Zustand ruht man in meditativer Gelassenheit.
Anschließend werden die karmischen Schleier durch die Meditation auf Vajrasattva und die Rezitation des 100-Silben-Mantras bereinigt. Dabei ist die Anwendung der vier Kräfte – Anerkennen und Eingeständnis der Verfehlung, reine Stütze (Vajrasattva), Entschluss, die Negativitäten tatsächlich aufzugeben und das Aufgeben selbst bzw. die Rezitation – besonders wichtig. Verbunden damit ist die Visualisation, bei der von Vajrasattva ein Nektarstrom herabfließt und in den eigenen Scheitel eintritt und die Verfehlungen, Defekte, Krankheiten und Übel von Körper, Rede und Geist von einem reinigt. Alle diese Negativitäten verlassen einen in Form von Rauch, trüber Flüssigkeit und ekeligen Tieren. Schließlich ist man vollständig gereinigt und kristallklar. Man rezitiert das Sechs-Silben-Mantra des Vajrasattva und stellt sich vor, wie sich Vajrasattva Yab-Yum in Licht auflösen und mit einem selbst verschmelzen. Man ruht in meditativer Gelassenheit.
Dann tritt man in den Pfad der inneren Tantras ein und praktiziert Guru-Yoga. Die Praxis des Guru-Yoga ist der Gipfel und Kern des Ngöndro. Bereits zu Beginn der Praxis wurde der Guru angerufen, bei der Zuflucht usw. als Zeuge und Verdienstfeld visualisiert und hier praktiziert man nun die Realisation der Natur des Geistes. Der äußere Guru als Manifestation der Natur des Geistes ist gewissermaßen eine Projektion der eigenen wahren Natur.
Man folgt der im Praxistext angegebenen Visualisation und rezitiert das Vajra-Guru-Mantra viele Male. Darüber hinaus kann man diese Praxis auch noch durch Wiederholungen des 7-Zeilen-Gebets an Guru Rinpoche erweitern. Dabei stellt man sich vor, dass man die vier Ermächtigungen von Körper, Rede, Geist und Verwirklichungen des Gurus empfängt. Am Ende der Rezitation löst man die Visualisation auf, indem sich der Guru in Licht auflöst und mit einem selbst untrennbar wird. Man ruht in der offenen Weite der Untrennbarkeit von leerem Sein und ursprünglichem Gewahrsein und erkennt dies als das Antlitz des letztendlichen Gurus – der eigenen wahren Natur des Geistes selbst. Die Realisation dieser klar-lichten Essenz ist der Gipfel der Praxis im Ngöndro, sowie auch im Vajrayana selbst.
Dies korrespondiert auch mit der Realisation der Klar-Lichtheit zum Zeitpunkt des Todes. Falls man dies Realisation verfehlt und Befreiung nicht in diesem einen Leben erlangt wird, gibt es in den grundlegenden Übungen des Dudjom Tersar noch zwei bis drei weitere geschickte Mittel. Normalerweise wird nach dem Ngöndro die Praxis des Phowa – der Bewusstseinsübertragung – erlernt. Dies dient dazu, falls mangels Realisation der klar-lichten Essenz der Natur des Geistes die Befreiung nicht erlangt wird, dass man dann zumindest über den Umweg einer Geburt in Mahasukhavati – dem reinen Land von Buddha Amitabha – anschließend die Befreiung erlangt. Wenn man auch darin scheitert – und das ist aufgrund mangelnder Praxis leicht möglich – dann hilft die Praxis des Darbringen des eigenen Körpers – kurz „Chöd“ genannt. Da der eigene Körper das zentrale Element von Greifen und Verlangen darstellt, ist sein Hingeben das beste Mittel zur Realisation von Ichlosigkeit. Verbunden damit wird auch der eigene Besitz usw. aufgegeben und schließlich der Befreiung der fühlenden Wesen gewidmet. Damit sammelt man zumindest Verdienst an, damit man entweder Befreiung im Bardo oder wenigstens eine günstige nächste Geburt erlangt.
Wenn es weise Menschen gibt, die sich wünschen, vollständig von den heißen Qualen der Feuergrube des Samsara befreit zu werden, sollten sie sich auf diesen höchsten Pfad, Ngöndro, verlassen, der, wie der König der Bäume, einen in seinem kühlen, dichten Schatten, der Erleuchtung, wiederbeleben wird.
Dudjom Rinpoche Jigdral Yeshe Dorje
Hier die Wort-für-Wort-Erklärung des Dagnang-Ngöndro – der kurzen grundlegenden Übungen aus dem Dudjom Tersar:
Da wir diese Praxis der grundlegenden Übungen über einige Zeit im Ngakpa-Zentrum durchgeführt haben und diese als Livestream veröffentlicht wurden, finden sich in den einzelnen Sitzungen noch weitere Erklärungen und Hinweise zur Praxis selbst – mal mehr, mal weniger. Den Praxistext findet ihr auf rangdrol’s Blog im Bereich der Downloads.
Wer diese Praxis noch länger intensiv ausüben möchte, findet auf meinem Kanal auf YouTube weitere Videos und Erklärungen dazu. Möge es von Nutzen sein!
Das Dharani „Taras eigenes Versprechen“ ist ein kurzes Dharani, mit dem die Göttin Tara angerufen wird. Tara, deren Name mit „Retterin“ übersetzt werden kann, wird in verschiedenen buddhistischen Gemeinschaften als eine Gottheit verehrt, die angesichts weltlicher und spiritueller Gefahren schnell auf die Bedürfnisse aller reagiert.
Taras eigenes Versprechen
Verehrung der edlen Tara!
Tara verkündete das Dharani „Taras eigenes Versprechen“:
TADYATHA | OM TARE TARAYAI HUM HUM HUM SAMAYASTHITE BHARA BHARA SARVABHARANAVIBHUSITE PADME PADME MAHAPADMASANASTHITE HASA HASA TRAILOKYAVARADE SARVADEVADANAVAPUJITE SMARAHI BHAGAVATI TARE SMARAHI BHAGAVATAS TATHAGATASYA PURATAH SAMAYAM DHARA DHARA MAHASATTVAVALOKITE MANIKANAKAVICITRABHARANE | OM VILOKAYA(füge hier den Namen ein)BHAGAVATI TARE HRIM HRIM HRIM PHAT SVAHA |
Durch die bloße Erinnerung an dieses Dharani werden alle Gefahren beseitigt, alle Errungenschaften erlangt, und alle fühlenden Wesen unter Kontrolle gebracht. Am achten oder fünfzehnten Tag des Mondes, bringe der edlen Tara große Opfergaben dar und rezitiere dann dieses Dharani, bis du Tara direkt wahrnimmst. Was auch immer du dir wünschst, wird dir gegeben werden, und alle Wohltaten werden gewährt werden. Wenn dies nicht geschieht, bedeutet dies, dass du die fünf Handlungen mit sofortiger Vergeltung begangen hast. In der Tat, unermesslicher Nutzen wird kommen.
Dies wurde aus dem Höchsten Vajra Tantra entnommen. Dies schließt das edle Dharani „Taras eigenes Versprechen“ ab.
Aus dem Kangyur, Band 94 (rgyud, tsha; Seite 222). Verglichen mit der englischen Übersetzung von 84000.co; übersetzt vom Ngak’chang Rangdrol Dorje (Enrico Kosmus, 2021). Möge es von Nutzen sein!
Shakyamuni Buddha blickt typischerweise mit teilweise geschlossenen Augen nach vorne. Das blau-schwarze Haar auf dem Kopf ist in einem Büschel aufgetürmt und ein einzelnes goldenes Ornament ziert die Krone. Zwischen den Augenbrauen befindet sich ein weißer Punkt (Urna) und den Hals zieren drei geschwungene horizontale Linien. Die Ohrläppchen sind lang und durchstochen. Bei entblößtem rechten Arm wird die rechte Hand in der Geste (Mudra) der Erdberührung über das Knie gestreckt. Die linke führt die Geste (Mudra) der Meditation aus – Handfläche nach oben in den Schoß. Über der linken Schulter liegt ein safranfarbenes Patchwork-Gewand. Ein ähnliches Untergewand wird in der Taille mit einem Stoffgürtel gebunden. Die Beine sind in der Vajra-Haltung gefaltet.
Besinnung auf den Buddha
Anusmriti bedeutet „Rückbesinnung“, „Kontemplation“, „Gedenken“, „Meditation“ und „Achtsamkeit“. Es bezieht sich auf bestimmte meditative oder hingebungsvolle Praktiken, wie z.B. das Erinnern an die erhabenen Eigenschaften des Buddha, die zu geistiger Ruhe und anhaltender Freude führen. In der Pali-Literatur und den Sanskrit-Mahayana-Sutras werden in verschiedenen Zusammenhängen unterschiedliche Aufzählungen von Besinnungen hervorgehoben und benannt.
Bereits zu Beginn des Praxistextes von Mipham Rinpoche zur Meditation auf Buddha Shakyamuni finden sich Hinweise, welche Qualität diese Praxis hat.
Im Sutra „Der König des Samadhi“ heißt es: ‚Wer sich beim Gehen, Sitzen, Stehen oder Schlafen an den mondgleichen Buddha erinnert, wird immer in Buddhas Gegenwart sein und das weite Nirvana erlangen.‘ Und: ‚Sein reiner Körper hat die Farbe von Gold, schön ist der Beschützer der Welt. Wer ihn so visualisiert, übt sich in der Meditation der Bodhisattvas.‘ In diesem Sinne sollten wir uns darin üben, uns an unseren unvergleichlichen Lehrer, den Herrn der Weisen, auf folgende Weise zu erinnern.
Mipham Rinpoche, „Ein Schatzhaus des Segens“ – eine Praxis auf Buddha Shakyamuni
Ferner ist die Meditation auf Buddha Shakyamuni von großer Verdienstansammlung
Visualisiere die Form des Buddhas auf diese Weise und stelle dir vor, dass er tatsächlich da ist, direkt vor dir. In dem Moment, in dem du diesen Gedanken erzeugst – denn der Weisheitskörper des Buddhas ist nicht durch Grenzen wie Zeit oder Ort eingeschränkt – wird er ganz sicher da sein. In einem der sūtras heißt es: Sollte jemand an den Buddha denken, ist er da, direkt vor ihnen, und gewährt ständig seinen Segen und Freiheit von allem Leid. Der Verdienst, der durch das Visualisieren des Buddhas gewonnen wird, ist unerschöpflich; er ist eine Quelle der Tugend, die niemals versiegen wird. Wie es im Avatamsaka Sutra heißt: Indem wir die Buddhas sehen, hören oder ihnen opfern, wird ein grenzenloser Vorrat an Verdienst angesammelt. Bis wir von allen zerstörerischen Emotionen und dem Leiden des Samsara befreit sind, wird dieser angehäufte Verdienst niemals vergeudet werden. Auch werden alle Gebete, die wir vor dem Buddha sprechen, erfüllt werden.
Mipham Rinpoche, „Ein Schatzhaus des Segens“ – eine Praxis auf Buddha Shakyamuni
Während der Mantra-Rezitation bringt man sich immer wieder und wieder die Qualitäten des Buddha ins Bewusstsein.
Im Allgemeinen solltest du, was auch immer du tust, ob du dich bewegst, gehst, schläfst oder sitzt, ständig an den Buddha denken. Sogar nachts, wenn du schlafen gehst, bedenke, dass die Ausstrahlung der Form des Buddhas den gesamten Raum in alle Richtungen erhellt und ihn genauso hell erleuchtet wie am Tag. Ahme zu jeder Zeit die Handlungen des Buddhas nach, von dem Moment an, als er zum ersten Mal den Geist des Erwachens erzeugte, und folge dem Beispiel der Buddhas und großen Bodhisattvas der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Halte deine Verpflichtung zum kostbaren Bodhicitta aufrecht, ohne sie jemals schwanken zu lassen, übe dich so viel wie möglich im Verhalten der Bodhisattvas im Allgemeinen und in den Praktiken von Shamatha und Vipasyana im Besonderen, um die Freiheiten und Vorteile dieser menschlichen Existenz sinnvoll zu nutzen. In mehreren Sutras wird gesagt, dass das bloße Hören des Namens unseres Lehrers, des Buddha, dafür sorgt, dass man allmählich auf dem Pfad zur großen Erleuchtung fortschreitet, ohne jemals zurückzufallen. Es wird auch gesagt, dass die oben offenbarte Dharani die Quelle aller Buddhas ist. Durch die Kraft der Entdeckung dieser Dharani erlangte der König der Shakyas selbst die Erleuchtung, und Avalokiteshvara wurde der höchste aller Bodhisattvas. Durch das einfache Hören dieser Dharani wird leicht eine große Ansammlung von Verdienst erlangt und alle karmischen Verunreinigungen werden gereinigt, und wenn sie rezitiert wird, werden keine Hindernisse auftreten. Dies wurde in der Gekürzten Prajnaparamita gelehrt. Andere Lehren sagen, dass durch das einmalige Rezitieren dieses Dharani alle schädlichen Handlungen, die du während achthundert Milliarden Kalpas begangen hast, gereinigt werden. Sie sagen, dass es grenzenlose Qualitäten wie diese besitzt und die heilige Herz-Essenz von Buddha Shakyamuni ist. Die Wege, um Vertrauen zu erzeugen und sich in den Praktiken von Shamatha und Vipasyana zu üben, werden an anderer Stelle erklärt.
Mipham Rinpoche, „Ein Schatzhaus des Segens“ – eine Praxis auf Buddha Shakyamuni
Die Texte für diese Praxis findet ihr im Bereich „Downloads & Shop„.
Vajrakilaya oder Vajrakumara ist die Yidam-Gottheit, die die erleuchtete Aktivität aller Buddhas verkörpert und deren Praxis dafür berühmt ist, dass sie die mächtigste ist, um Hindernisse zu beseitigen, die Kräfte zu zerstören, die dem Mitgefühl feindlich gegenüberstehen und die spirituelle Verschmutzung zu reinigen, die in diesem Zeitalter so weit verbreitet ist. Vajrakilaya ist eine der acht Gottheiten der Kagye – der großen Sadhanas in der Nyingma-Tradition.
Vajrakilaya mit seiner Gefährtin Diptachakra. Zwei Dämonen liegen zermalmt unter ihren Füßen. Vajrakilaya ist eine zornvolle Form des Buddha Vajrasattva. Sein charakteristisches ikonographisches Merkmal ist, dass er den Dolch namens Phurba hält. In der Tat bezeichnet das Wort „Vajrakilaya“ sowohl den Kila (Dolch) und seine rituelle Verwendung als auch die Gottheit. Vajrakilaya wird üblicherweise mit drei Gesichtern verschiedener Farben in einer Krone aus Schädeln dargestellt. Das zentrale Gesicht ist blau, das linke ist rot und das rechte ist weiß. Er hat außerdem sechs Arme: zwei halten den Ritual-Dolch, zwei halten je einen Vajra, einer hält eine flammende Schlinge und einer einen Dreizack. Er zermalmt unter seinen Füßen Dämonen, die die Hindernisse zur spirituellen Verwirklichung darstellen.
Um mit den Geistern und Gottheiten der Erde, des Landes und des Ortes zu arbeiten, haben die Menschen in Indien, im Himalaya und in der mongolischen Steppe das Land gepflockt, genagelt und/oder festgenagelt. Das Festnageln mit dem Kila ist vergleichbar mit der Idee des Aufbrechens der Erde (Spatenstich) in anderen Traditionen und dem Ritus der Grundsteinlegung. Es handelt sich um eine uralte schamanische Idee, die in der gesamten Region verbreitet ist; sie ist in der Bön-Tradition vorherrschend und findet sich auch in der Vajrayana-Tradition. Nach der schamanischen Folklore, die in der ganzen Region verbreitet ist, „… waren die Berge riesige Pflöcke, die die Erde an ihrem Platz hielten und sie daran hinderten, sich zu bewegen.“
Robert Beer vermittelt die verschlungene Beziehung zwischen Vajrakilaya und Samye, die Verbreitung des Geheimen Mantras in Tibet und die Bedeutung des Sadhana sowohl für Padmasambhavas Erleuchtung als auch für seine fünfundzwanzig engsten Schülern, die nach der Nyingma-Tradition zu den Geistesströmen des Haupt-Tertons gehören:
„In der Biographie von Padmasambhava wird berichtet, dass er in das nördliche Land Kashakamala reiste, wo der Kult der Kila vorherrschte. Später, während er über die Gottheit Yangdak Heruka (Skt. Vishuddha Heruka) in der „Asura-Höhle“ in Parping im Kathmandu-Tal meditierte, erlebte er viele Hindernisse durch die Maras, und um sie zu bezwingen, bat er darum, dass die Kila-Vitotama-Tantras aus Indien gebracht werden. Nachdem er das erste tibetische Kloster in Samye gegründet hatte, waren die Lehren des Vajrakilaya-Tantras die erste Übertragung, die Padmasambhava seinen 25 engsten Schülern gab, um die Hindernisse für die Ausbreitung des Buddha-Dharma in Tibet zu beseitigen. Von seinen frühen Nyingma-Ursprüngen wurde die Praxis des Vajrakilaya als Yidam-Gottheit mit der Macht, alle Hindernisse zu durchschneiden, in alle Schulen des tibetischen Buddhismus aufgenommen.“
Robert Beer; The Encyclopedia of Tibetan Symbols and Motifs
Ein Beschützer des buddhistischen Dharma wird als Dharmapala bezeichnet. Es sind meist zornvolle Gottheiten, die in den Mahayana- und tantrischen Traditionen des Buddhismus mit furchterregender Ikonographie dargestellt werden. Die Zornigkeit soll ihre Bereitschaft darstellen, die buddhistischen Anhänger vor Gefahren und Feinden zu schützen und zu bewahren. Die acht Arten von nicht-menschlichen Wesen sind eine Kategorie der Dharmapalas, die Garuda, Deva, Naga, Yaksha, Gandharva, Asura, Kinnara und Mahoraga umfasst.
In der Vajrayana-Ikonographie und den Thangka-Darstellungen sind Dharmapala furchterregende Wesen, oft mit vielen Köpfen, vielen Händen oder vielen Füßen. Dharmapala haben oft blaue, schwarze oder rote Haut und einen grimmigen Ausdruck mit hervorstehenden Reißzähnen. Obwohl Dharmapala eine furchteinflößende Erscheinung haben, handeln sie nur auf grimmige Weise zum Wohle der fühlenden Wesen. Allerdings gibt es auch einige friedvolle Erscheinungen unter den Dharmapalas.
Die hingebungsvolle Verehrung der Dharmapalas in der tibetischen Tradition lässt sich bis ins frühe 8. Jahrhundert zurückverfolgen. Die Verehrung der Yakshas und anderer lokaler Gottheiten lässt sich bis in die frühesten Zeiten zurückverfolgen und ist in verschiedenen Der Dharma-Traditionen durchaus bekannt. So gibt es im Pali-Kanon einige Sutras und Zitate, in denen der Buddha selbst erwähnt, bestimmte lokale Gottheiten als Dharmapalas zu verehren, z.B. die vier großen Könige, da sie den Praktizierenden und der Sangha Schutz bieten. Später im Mahayana war die Verehrung des 4-armigen Mahakala im nordindischen Tiefland ziemlich berühmt, da er schwor, alle Klöster zu beschützen. Mit der Ausbreitung des Buddhismus wurden mehr und mehr lokale Gottheiten in diese Art der Praxis integriert. Im japanischen Shingon-Buddhismus, einem Abkömmling des Tangmi oder des chinesischen esoterischen Buddhismus, werden Dharmapalas wie Acala und Yamantaka als Weisheitskönige eingestuft.
Scheinbar war es für die Tibeter daher ein Leichtes, von ihrer traditionellen Bön-Religion zum Buddhadharma zu wechseln, da die Verehrung der lokalen Schutzgottheiten keinen Widerspruch zur buddhistischen Lehre darstellte und Guru Padmasambhava als tantrischer Meister geschickt darin war, die lokalen Gottheiten und Geister Tibets zu bändigen und in den Dienst des Buddhadharma zu stellen.
Und seit dieser Zeit ist es eine weit verbreitete Tradition, den Schutzgottheiten regelmäßig einen “ goldenen Trank“ – genannt „Serkyem“ – und Tormas – Opferkuchen – darzubringen, sei es als Ritus, um diese Wesen zu besänftigen oder um sie für bestimmte Tätigkeiten anzurufen.
Hier eine kleine Einführung in die Studien- und Praxisgruppe „Buddhaschaft ohne Meditation“. Die weiteren Inhalte gibt es bei den folgenden Treffen von März bis Juni im Ngakpa Zentrum Lhündrub Chödzong. Ihr könnt aber auch das Buch beim Wandel-Verlag erwerben.
Der Nangjang behandelt Sicht, Meditation und Resultat im Dzogchen und besteht aus visionären, klärenden Erläuterungen, die von verschiedenen Lehrern an Dudjom Lingpa gegeben wurden. In der Studien- und Praxisgruppe lesen wir gemeinsam den Text und praktizieren Guru-Yoga auf Dudjom Lingpa. Hier die erste Sitzung.
Das Mysterium des Geistes, das ursprüngliche Gewahrsein selbst, ohne von irgendjemandem verändert worden zu sein, ursprünglich ohne Basis oder Wurzel, ist die große Weite, die alle Zeichen von Stofflichkeit völlig transzendiert und frei von begrifflichen Vorstellungen ist. Daher wird seine essentielle Natur als leer bezeichnet.
Die manifeste Natur des ursprünglichen Gewahrseins ist dem “ Unterbewusstsein“ weit überlegen, denn es heißt, dass das Unterbewusstsein die Grundlage für alle Arten von zufälligen guten und schlechten gewohnheitsmäßigen Neigungen ist. Diese manifeste Natur des ursprünglichen Gewahrseins ist auch einem begriffslosen Geist und anderen ethisch neutralen, nicht-begrifflichen Zuständen wie den fünf Modi des sensorischen Bewusstseins überlegen. Seine unveränderliche, natürliche Lichtheit ist ursprünglich frei von allen Verunreinigungen der Begrifflichkeit und Verdunkelungen. Von dem Moment an, in dem es erfahren wird, ist der Aspekt seiner unveränderten, ursprünglichen, essentiellen Natur, der in der Art einer inneren Lichtheit erkennt, das spontan verwirklichte große Wesen, das aus sich selbst heraus entsteht. Seine manifeste Natur wird also als Lichtheit bezeichnet.
Es ist nicht so, dass Leerheit und Lichtheit nur in einer Art gegenseitiger Abhängigkeit vorhanden sind, sondern es ist für sie allgegenwärtig unmöglich, auch nur das kleinste bisschen von der essentiellen Natur des einen Geschmacks, der ursprünglich untrennbar ist, abzuweichen. Das nach außen leuchtende ursprüngliche Bewusstsein, das die natürliche Kreativität der großen Vereinigung von ursprünglichem Gewahrsein und Leerheit ist – unveränderlich und erhaben – ist völlig frei von Voreingenommenheit oder Parteilichkeit. Wenn du es erkennst, bist du ein Buddha, und wenn nicht, bist du ein fühlendes Wesen. Unaufhörlich ist sie das, woraus alle Arten von phänomenalen Welten, zusammen mit allem, was sich auf ihnen bewegt, entstehen können. In seiner grundlegenden Natur ist es ursprünglich allgegenwärtig und allumfassend, ohne sich irgendwo zu befinden. Deshalb wird es alldurchdringendes Mitgefühl genannt.
Alle Phänomene, die als solche Ausdrucksformen der Schöpferkraft erscheinen, sind verschieden, ohne miteinander verschmolzen zu sein, aber sie sind nichts anderes als die eigentliche Natur der Existenz, die Vereinigung von ursprünglichem Gewahrsein und Leerheit. So werden die drei Aspekte [der Leerheit, der Lichtheit und des alles durchdringenden Mitgefühls] als die große Untrennbarkeit bezeichnet.
Dies ist weder eine Leerheit, die als Spur übrig bleibt, nachdem die Verdinglichung zerstört wurde, noch ist es der klare Geist desjenigen, der das versteht, noch ist es etwas Belangloses wie die bloße Vereinigung eines Objekts, das zuerst kommt, und eines Subjekts, das später kommt. Die essentielle Natur des ursprünglichen Gewahrseins, frei von begrifflichen Ausführungen, die durch nichts verändert werden kann, ist immer schon leer gewesen. Sie ist frei vom Intellekt, selbst-entstehend, innerlich leuchtend, und ihre Natur wird von niemandem entworfen. Nicht nur, dass unterschiedliche Dinge – wie Objekte, die zuerst kommen, und Subjekte, die später kommen – schon immer untrennbar waren, sondern welcher Buddha oder welches fühlende Wesen könnte jemals etwas leer machen, oder etwas leuchtend machen, oder diese beiden miteinander verbinden? Das, was unverändert, einheitlich und unveränderlich ist, was nicht das geringste Bedürfnis hat, gemacht oder verbunden zu werden, kann von keinem zufälligen Intellekt identifiziert werden (wie z.B. einem, der die bloße Abwesenheit von wahrer Existenz wahrnimmt), geschweige denn von einem Intellekt, der nach wahrer Existenz greift! Selbst wenn es möglich wäre, was würde es nützen?
Obwohl es also nicht den geringsten Hinweis auf etwas zu Erkennendes und etwas, das es erkennt, gibt, wird es in sich selbst erkannt. Alle Fehler, sich darüber zu wundern, was es ist und was es nicht ist, werden natürlich von innen heraus beseitigt. So gibt es keinen Raum für schwankende Ungewissheit. Aber wenn dies nicht geschieht, was hat es dann für einen Sinn, irgendetwas mit dem begrifflichen Etikett der „ursprünglichen Reinheit“ zu versehen? Das Beste ist, es so zu realisieren, wie es ist. Das Mittlere ist, dass eine feine Erfahrung davon in dir selbst entsteht. Zumindest ist es unerlässlich, ein entschlossenes Verständnis des geheimen, entscheidenden Punktes zu erlangen, der ganz anders ist als andere geistig erfundene philosophische Systeme, die mit Zeichen arbeiten.
Wenn sich ein qualifizierter Schüler und ein Lehrer treffen, ist es außerdem in der Vergangenheit vorgekommen und geschieht auch jetzt noch, dass zur Zeit der Ermächtigung und so weiter, auch aufzeigende Anweisungen gegeben werden. Auch wenn es gerade nicht so geschieht, so werden diejenigen, die die Lehren, von den Vorübungen bis zu diesem Punkt, erklären und anhören, durch diese Zusammenstellung von Kernanweisungen, wenn sie sie aufrichtig in die Praxis umsetzen – und nicht nur ein Lippenbekenntnis ablegen – mit diesen Methoden sicherlich Einsicht gewinnen. Insbesondere ist es besser, eine kurze Sitzung mit edler Verehrung und Hingabe für den Guru zu praktizieren, als lange Zeit andere Geistestrainings durchzuführen. Ohne sich also in viel Grübeln zu ergehen, ist es sicherlich ausreichend, diese eine Methode zu praktizieren, um die tatsächliche Natur des Geistes zu erkennen, mit einer einzigartigen Haltung der Ehrfurcht und Hingabe zum Guru. Wenn du dich zu allen Zeiten und auf alle Arten bemühst, wird es großen Nutzen geben, ohne jeglichen Nachteil. Auf der anderen Seite, wenn du deine Hoffnungen in das setzt, was irgendein Gott, Dämon oder alter Mann zu sagen hat, oder in irgendeine Weissagung, wer weiß, was dann passieren wird?
Wenn du davon schwadronierst, dass es niemanden gibt, der sieht und nichts zu sehen ist, würden das Phänomen und das Individuum voneinander weggerissen werden, was gäbe es dann noch zu erkennen? Solche Menschen kehren dem Dharma definitiv den Rücken zu. Deshalb widme dich von jetzt an bis zum Ende deines Lebens den feinen Gebeten für deine authentische Verwirklichung der tatsächlichen Natur des Geistes.