von Garchen Rinpoche
Dabei erwähnte Jigten Sumgon, wie wichtig es ist, Vertrauen in den authentischen, kostbaren Lama zu haben. Wenn man einen solchen authentischen, kostbaren Lama hat, dann ist es mit unserem Vertrauen und unserer Hingabe nicht sehr schwierig, den Geist zu enthüllen. Es wird sehr leicht. Deshalb ist es wichtig, Hingabe und Vertrauen zu haben. Auch wenn ich jetzt auf einem Thron sitze und diese Belehrungen gebe, habe ich nicht viele Qualitäten, aber wenn ihr Vertrauen und Hingabe entwickelt, dann werden die Segnungen nicht nur von mir, sondern auch von den Linienmeistern, wie beispielsweise Jigten Sumgon, Milarepa und so weiter, empfangen werden. Es gibt zum Beispiel eine Geschichte, in der sich Reliquien von einem Hundezahn manifestierten, der fälschlicherweise mit dem Zahn von Shakyamuni Buddha verwechselt wurde. Es ist nicht der Zahn des Hundes, der die Reliquien hervorbringt, sondern sie entstehen durch den Segen des Buddha. Wenn man voller Hingabe und Vertrauen ist, dann erhält man alle Segnungen. Aus diesem Grund ist Hingabe an und Vertrauen in die Wurzel- und Linienlamas sehr wichtig, und dadurch erhält man alle Segnungen. Sie sind besonders wichtig, um Mahamudra zu verwirklichen.
Diese Betonung des Vertrauens und der Hingabe an den Lama ist also nicht so etwas wie „Guru-Verehrung“, sondern eher eine besondere Technik zur Verwirklichung von Mahamudra. Es ist eine Brücke. Im tibetischen Buddhismus gibt es viele Linien, aber insbesondere die Kagyü-Linie legt den Schwerpunkt auf die Hingabe an die Linie. Wenn man die Lebensgeschichten der großen Kagyü-Lehrer liest, wird man sehen, wie viel Vertrauen die einzelnen Personen haben. Von Vajradhara, Tilopa, Naropa, Marpa bis hin zu Milarepa und so weiter, jeder von ihnen hatte solch ein starkes Vertrauen und verwirklichte Mahamudra vollständig. Sie hatten vollständige Verwirklichung. Selbst wenn man also nicht das große Glück hat, die Philosophie Buddhas zu hören und zu studieren, solange man ein solches Vertrauen in die Lehren, in den authentischen Lama hat, dann entstehen Segnungen ohne große Anstrengung.
Milarepa erklärte den Grund dafür, als er sagte: „Ich habe große Entbehrungen durchgemacht. Ich bin durch all diese Schwierigkeiten gegangen, und ich habe sie alle erfolgreich überwunden und die letztendliche Bedeutung verwirklicht. In Zukunft wird jeder, der diesem Weg folgt und nur an mich denkt und nur meditiert, auf keine Hindernisse oder Schwierigkeiten stoßen.“ Die Übertragungslinie ist also von dieser Zeit bis jetzt hergekommen. Es gibt eine Kontinuität des verwirklichten Wesens.
Diese existiert sehr wissenschaftlich in dem Sinne, dass jeder davon weiß und damit einverstanden ist. Wenn man über sie liest, ist es auch klar, dass jeder dieser großen Lehrer, einer nach dem anderen, eine hohe Vollendung in der Mahamudra hat. Deshalb können wir auch diese Art von Vertrauen und Hingabe entwickeln, um dem Pfad zu folgen und diese Linie fortzusetzen. Und dann können wir uns von unserer Verwirrung befreien und die Bedeutung des Mahamudra verwirklichen.
Um die Beziehungen, die zwischen dem Lehrer, dem Lama und dem Schüler bestehen können, zu verstehen, nehmen wir das Beispiel von Marpa und Milarepa. Ein Westler sagte mir, dass es so aussieht, als hätte Marpa kein Mitgefühl gehabt, und dass er Milarepa so schlecht behandelt und sogar gefoltert habe. Milarepa kam sogar an einen Punkt, an dem er schließlich an Selbstmord dachte. All dies wurde von Marpa getan, nur um zu versuchen, Milarepa zu erreichen. Aber in Wirklichkeit war Marpas Mitgefühl so stark. Sein Mitgefühl war bedingungslos. Indem er aus großer Weisheit und Mitgefühl für alle fühlenden Wesen in der Welt, nicht nur für Milarepa, das ganze System oder den gesamten Zustand und nicht nur einen kleinen Punkt kannte, machte er Milarepa perfekt. Nachdem Milarepa also durch all diese Schwierigkeiten gegangen war, gab Marpa Milarepa ein letztes Mal Belehrungen. Marpa sagte: „Durch die große Beharrlichkeit von Milarepa existiert das Herz-Leben der Lehren Buddhas“. Aus diesem Grund gab Marpa Milarepa die vollständigen Belehrungen und Milarepa erlangte die Buddhaschaft innerhalb eines einzigen Lebens. Und dadurch haben unzählige Wesen davon profitiert.
Es ist durch Milarepa und Gampopa, dass die Kagyü-Linie überall auf der Welt begründet wurde. Selbst in diesen Tagen zitieren Menschen überall auf der Welt das Beispiel von Milarepa. Im Westen zum Beispiel, wo so viele Kagyü-Dharma-Zentren gegründet worden sind, nimmt jeder das Beispiel von Milarepa und der Linie. So errichteten Trungpa Rinpoche und Kalu Rinpoche Dharma-Zentren. Wir alle arbeiten auf diese Weise zum Nutzen aller fühlenden Wesen. Es ist also die Kraft des großen Mitgefühls und der Weisheit von Mahamudra, die uns immer noch Nutzen bringt. Das zeigt, wie wichtig die Beziehung zwischen dem Lama und dem Schüler ist, um die kostbaren Dharma-Lehren zu erfahren.
Um starke Hingabe und Vertrauen in den Lama zu haben, heißt es im Hevajra-Tantra: „Die Verwirklichung der gemeinsam erwachenden Weisheit kann nicht von anderen gegeben oder erklärt werden. Die Verwirklichung von gemeinsam entstehender Weisheit geschieht nirgendwo ohne die Abhängigkeit vom letztendlichen Vertrauen in den Lama und der eigenen Kraft des Verdienstes oder dem Sammeln der Ansammlungen. Wenn man also zur Mahamudra-Praxis kommt, heißt es, dass die Kraft der Segnungen aufgrund des Vertrauens und der Hingabe an den Lama, in einem Moment, kann nicht mit der Kraft der Segnungen aufgrund der Meditationspraxis der Gottheiten für 100 kalpas oder Äonen verglichen werden. Deshalb ist das Bittgebet an den Lama und das Vertrauen in ihn weitaus wichtiger als nur das Rezitieren von Mantra und die Visualisierung von Gottheiten.
Natürlich sind die Yidam-Gottheiten wichtig. Sie sind alle ein Teil der authentischen und großen Lamas. Als Marpa zum Beispiel Naropa traf, manifestierte Naropa Hevajra und alle Yidam-Gottheiten im Raum, so dass sie für Marpa sichtbar waren. Dann sagte Naropa: „Vor wem willst du heute die Niederwerfungen machen? Vor dem Lama, hier, wo ich hier sitze, oder vor deinem Yidam, der sich im Raum vor dir befindet.“ Marpa dachte also: „Oh, ich sehe meinen Lama jeden Tag, aber ich sehe meinen Yidam nicht jeden Tag. Das sieht nach einer sehr, sehr großen Gelegenheit aus. Heute werde ich mich vor dem Yidam niederwerfen.“ Und Naropa sagte: „Oh, das ist nicht richtig. Dieser Yidam ist die Manifestation des Lamas“, und dann lösten sich Hevajra und alle Yidams in ihm auf. Es hat in der Vergangenheit nie einen Buddha gegeben, der ohne Abhängigkeit vom Lama zu einem Buddha wurde. Alle Buddhas, die sich dreimal manifestiert haben, erlangten die Buddhaschaft durch die Unterweisung des Lamas.
Dieser Lama ist nicht nur der „äußere Lama“, sondern es gibt auch den „inneren Lama“. Der innere Lama ist ebenso wichtig wie der äußere Lama, aber um den inneren Lama zu manifestieren, sind wir auf den äußeren Lama angewiesen. Alle 100 Gottheiten, die zornvollen und friedlichen, alle diese Yidams sind in uns, in unserer Natur. Die Buddha-Natur umfasst all diese Gottheiten. Deshalb sagt man auch, dass sich der äußere Yidam im Lama auflöst. Wir müssen Respekt vor beiden Lamas entwickeln, aber wir legen zunächst den Schwerpunkt auf den äußeren Lama, da wir durch den äußeren Lama zum inneren Lama gelangen. Sobald wir zum inneren Lama gelangen, wird uns zu diesem Zeitpunkt klar, dass es zwischen den beiden keinen so großen Unterschied gibt.
Von Garchen Rinpoche, aus den Belehrungen zu Mahamudra. Übersetzt aus dem Englischen vom Ngak’chang Rangdrol Dorje (Enrico Kosmus, 2020). Möge es von Nutzen sein!
Lovely resplendent teaching
By: Ant on 14. Oktober 2020
at 21:58