Verfasst von: Enrico Kosmus | 16. Juli 2012

Vertrauen und Glaube – zwei Stützen in der Praxis des Dharma

Über die Natur und Kategorien des Glaubens im Dharma

Da man zu Beginn des Pfades noch keine Garantie hat, dass der Pfad auch wirklich etwas bringen wird, ist Vertrauen notwendig. Auch wenn man sich den vier Überlegungen hingegeben hat und diese intensiv durchgedacht hat, ist Vertrauen bzw. Glaube die Wurzel für die Zufluchtnahme. Im „Juwelenschmuck“ wird ausgeführt: „Weil man Vertrauen hat, stützt man sich auf den Dharma. Weil man Weisheit hat, hat man vollkommenes Verstehen. Von diesen beiden ist Weisheit die Anführerin, aber das Vertrauen bzw. der Glaube muss zuerst kommen.“ Daher soll man sich von Beginn an in der Kultivierung des Vertrauens üben.
Doch von welcher Art ist dieser Glaube nun? Glaube bzw. Vertrauen ist das Tor zur Hingabe, dem Aufgeben der selbstbezogenen Sicht- und Handlungsweisen. Die Essenz des Vertrauens ist ein klarer, nicht verwirrter Geist, der sich gewahr ist, was angenommen werden soll und was aufgegeben bzw. zurückgewiesen werden soll. Dabei kennt man drei Arten des Glaubens: 1) lebhaftes Vertrauen, 2) eifriges Vertrauen und 3) überzeugte Zuversicht.
Beim lebendigen Glauben ist dies ein klarer, frischer Zustand, der durch ein Gefühl von Freude und Hingabe hervorgerufen wird, ohne Hintergedanken, sondern einfach als Resultat durch das Sehen und Hören der wundersamen Eigenschaften der erhabenen Wesen. Beim eifrigen Vertrauen bittet man flehentlich, dass die Leiden des Daseinskreislaufs ausgerissen werden. Man fleht um Befreiung und Erleuchtung. So erkennt man und bemüht sich darum, den Dharma anzuwenden, indem man Negatives aufgibt und Heilsames ausführt. Diese Art des Glaubens bzw. Vertrauens lässt uns dem Dharma in derselben Weise folgen, wie der Wunsch nach Wohlstand Menschen dazu veranlasst, nach Reichtum zu streben. Die dritte Stufe des Vertrauens ist eine überzeugte Zuversicht, dass der Daseinskreislauf und seine Ursachen ausgelöscht werden müssen, sowie Nirvana und seine Ursachen angenommen werden müssen. So wie ein Bauer mit Vertrauen auf eine zukünftige Ernte den Boden bearbeitet, so hat man auch Zuversicht in den erhabenen Dharma, dass dieser uns nicht enttäuscht und das führt zur Überzeugung, um ohne Zweifel oder Zögern zu praktizieren.
Auch wenn wir Vertrauen oder sogar noch viele andere gute Eigenschaften haben, so hilft uns das alles nichts, wenn wir nicht praktizieren. Genauso wie einem Blinden es nichts bringt, von schöner Gestalt zu sein, da er dies doch nicht betrachten kann. Daher müssen wir uns bemühen, durch Meditation auf Vergänglichkeit, durch das Überdenken der eigenen Handlungen und ihrer Auswirkungen, durch das Nachdenken über die positiven Aspekte in allem, durch das Bedenken der Kostbarkeit des Dharma, der Güte des Lehrers, sowie unsere spirituellen Geschwister mit reiner Sicht wahrnehmen und das Erinnern an die ausgezeichneten Eigenschaften eines Buddhas, das notwendige Vertrauen zu entwickeln. All dies hilft uns dabei, Zuversicht zu entwickeln und unseren ungestümen Geist zu zähmen.

Im nächsten Beitrag werde ich über die Entwicklung des Vertrauens und über die Ursachen und Bedingungen dabei berichten. Bleibt also dran!


Antworten

  1. Lieber Enrico, „Genauso wie einem Blinden es nichts bringt, von schöner Gestalt zu sein, da er dies doch nicht betrachten kann.“ – das Beispiel kann ich nun gar nicht nachvollziehen. Kann es sein, dass die Formulierung ungenau ist? Denn natürlich kann sich der Blinde nicht selbst – optisch – an seiner schönen Gestalt erfreuen, aber diese „schöne Gestalt“ nützt ihm nichtsdestotrotz enorm viel in unserer samsarischen Welt, die der äußerlichen Erscheinung so verhaftet ist. Sie wird ihm selbstverständlich in der Reaktion der Gegenüber gespiegelt und mitgeteilt, also begreifbar werden. Es nützt allerdings rein gar nichts, wenn seine Gegenüber eine schöne Gestalt haben, die er ja tatsächlich nicht sieht. Wenn es also hieße: „Genauso, wie es einem Blinden nichts bringt, wenn seine Gegenüber von schöner Gestalt sind, da er diese doch nicht betrachten (und damit bewerten) kann.“, dann würde mir das durchaus einleuchten?


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