Verfasst von: Enrico Kosmus | 22. August 2011

Geschichte der Ngakpas (Teil 1)

Die Geschichte der Vidyadharas des Großen Geheimen Mantras, die sich durch weiße Kleider und langes Haar auszeichnen

Ein kurzer mündlicher Kommentar von Kyabje Kunzang Dorje Rinpoche

Seit der Zeit des Zusammentreffens der drei Meister – Khenpo Shantarakshita, Lopon Padmasambhava und Dharma-König Trisong Detsen – im 8. Jhdt. gibt es zwei Arten der Sangha in Tibet, die als die monastische Sangha mit den rasierten Köpfen und den Safran-Roben (rab gyung ngur smig gi sde) und die Sangha der Ngakpas mit den weißen Kleidern und den langen geflochtenen Haaren (gos dkar lcang lo’l sde) bekannt sind.
In den oberen und unteren Regionen von Kham sind diese Ngakpas als „Amnyes“ (a myes) bekannt. Im Distrikt Ngari werden sie „Jopas“ (jo pa) genannt und in den Provinzen von U und Tsang werden sie „Ngakchangs“ (snags ‘chang) genannt. In Bhutan, Sikkim und anderen angrenzenden Königreichen kennt man diese Praktizierenden als „Serkhyimpas“.
Die Herrschaft beider Sanghas war während der Herrschaft des Dharma-Königs Trisong Detsen (790 – 804) gleichwertig. Dies wird in historischen Aufzeichnungen klar dargelegt. Vielmehr noch unter der Herrschaft von König Ralpachen (813 – 836) band sich der Herrscher Seidenbänder in seine verfilzten Haare als ein erhabenes Objekt der Opferung und erbat sich, dass beide Sanghas sich darauf zu setzen und darüber hin und her zu gehen. Dies scheint in allen zuverlässigen Quellen der königlichen Aufzeichnungen auf. In diesen historischen Berichten gab es vier Jopa-Praktizierende, die damit beschäftigt waren, ungünstige Umstände für die Dharma-Könige von Tod Guge und Gungthang abzuwehren. Ebenso kennt man im unteren Nangchen und Dege vier verschiedene große Lamas im Zentrum der Region, vier Minister in der Mitte der Region und vier Amnyes im unteren Teil des Tales, die für die Dharma-Könige arbeiteten. Diese Ngakpas führten die drei esoterischen „Do“-Rituale an Orten aus, wo Erde und Himmel ein Dreieck wie ein „Ham Khung“ bildeten. Wenn es viele Zeichen gibt, die darauf hinweisen, dass hinderliche Kräfte wie Götter und Dämonen die Praxis von einigen an einem bestimmten Ort blockieren, dann sind Yogis mit Gerissenheit, Schnelligkeit und der Fähigkeit, zornvolle Aktivitäten auszuführen, äußerst nützlich.
In Zentral-Tibet während der Herrschaft von Drogon Chogel Phakpa (1235 – 1280) wird gesagt, dass es vier große Ngakpas in den vier Richtungen von Drogon Tsang gab. Zurzeit des Großen 5. Dalai Lama (1617 – 1682) gab es auch vier Ngakchangs, die die vier Richtungen des Serkhangs beherrschten. Diese Ngakpas führten Heilungsrituale und Zeremonien zum Abwenden von Hindernissen aus. Diese Rituale wurden nur von Ngakpas ausgeführt.
Weiters sind es die Ngakpas, die den Vorsitz über jene Aktivitätsrituale führen, die mit den sieben Arten von Missetätern (nyams pa bdun), einschließlich jener, die den Lehren Buddhas zuwiderhandeln, den Wesen, die ihre Samaya-Verpflichtungen gebrochen haben, Feinde der Drei Juwelen, persönliche Feinde des Lehrers, den zehn Feinden, die zerstört werden müssen und gegnerischen Schützerwesen zu tun haben. Durch diese Art der Zerstörung, des Rituals der Unterwerfung, des Verbrennens und des Werfens, werden die Form und die Aggregate des Übeltäters vollständig vernichtet und zu Staubteilchen zerkleinert, sodass man sich nicht einmal mehr an ihre Namen erinnert. Dann wird ihr Bewusstsein in den Dharmadhatu befreit.
Die Handlung des Unterwerfens: den angreifenden Feinden und Hinderern wird zunächst befohlen und sie werden durch die Macht der Drei Wahrheiten herbeizitiert. Sobald sie versammelt sind, werden sie durch die Mudra gebunden und dann durch die neun Ebenen des Untergrunds bezwungen, unfähig sich wieder zu erheben.
Die Aktivität des Verbrennens: auf dieselbe Weise wird das Hinderniswesen durch die Macht der Wahrheit und mit der Mudra gebunden. Dann werden sie durch die Methode des Me Lha zerstört.
Die Aktivität des Werfens: alternativ dazu, nachdem sie sich versammelt haben und gebunden wurden, werden ihre Formen in einen Abbild-Torma gebunden, der dann weggeworfen wird.
Diese angewandte Methode, um gefürchtete Feinde der buddhistischen Lehre, der Dharma-Praktizierenden und besonders jene, die den Lama verletzen, zu vernichten, ist großes Mitgefühl. Dies wird durch die Verbindung der geschickten Mittel mit den drei Aspekten der klaren Visualisation vollführt. Durch diese zornvollen Aktivitäten wird das Kontinuum des negativen Karmas durchtrennt und das angreifende Wesen wird in einen Zustand dauerhaften Glücks versetzt. Ngakpas kennen diese drei Methoden des Unterwerfens, des Verbrennens und des Werfens; dies sind ihre täglichen Hauptaktivitäten.

Kolophon:

Diese kurze Darstellung der weiß gekleideten, langhaarigen Ngakpas wurde auf Bitten von ein paar Dharma-Freunden, die den Namen Ngakpa tragen, besonders dem Ngakpa-Linienhalter Tenzin Samphel und der französischen Frau Kechog Zangmo, gegeben.
Basierend auf dem Verständnis, dem Gewahrsein und der Erfahrung von Kunzang Dorje, einem Ngakpa der Horja-Familienlinie, wurde diese kurze Ngakpa-Geschichte in seinem 70. Lebensjahr, dem Jahr des Erd-Hasen, in Tsogyel Gephel Jong, das am Fuße von Yangleshö, einem heiligen Ort in Nepal liegt, niedergeschrieben.

Übersetzt im März 2004 mit der Unterstützung von Lopon P. Ogyan Tanzin.

Im Jahr des Eisen-Hasen vom Ngak’chang Rangdrol Dorje aus dem Englischen ins Deutsche zur leichteren Lesbarkeit für die Sangha übertragen. Möge es von Nutzen sein!

Sarva Mangalam! – Teil 2 des mündlichen Kommentars folgt in Kürze!


Antworten

  1. Das ist ein sehr guter Kommentar über die tibetischen Ngakpas. Meiner Meinung nach begann die Ngakpa Tradition mit Vimalakirti in Indien, einem Buddha, übrigens eine Art Freund Buddha Sakyamunis, der keine Mönchgelübde hatte, jedoch ein voll erleuchtetes Wesen war und seine Lehre auf die Vverwirklichung von leerheit und Rigpa und Bodhicitta abstützte. Dann folgt in Indien die Tradition der 84 Mahasiddhas, eigentlich von hunderttausenden von Mahasiddhas und Vidyadharas, deren König und als Reinkarnation von Sakyamuni geltend der unübertreffliche Padmasambhava. Ohne Guru Rinpoche kein Tantra in Tibet und ohne Tantra keine Ngakpas, denn Ngak bedeutet Tantra. Ngakpas sind eigentlich Tantrikas, einige sind Mönche, einigige zeigen die äussere Form der Mahasiddha oder Agori-Tradition des alten Indiens. Die Tschötpas haben eigentlich essentiell total die Tradition der Agoris übernommen. Jetzt stellt sich die Frage, wie wir Westlichen diese tradition leben, mit indischen Kleidern, mit tibetisch-mongolischen Kleidern oder ob wir uns wahrlich äusserlich markieren oder tantrisch geheim wirken wollen.
    Das àusserliche spielt bei vielen Menschen eine grosse Rolle, andere konzentrieren sich mehr auf wahre Verwirklichung, andere behaupten beides hänge zusammen. Gewahrsein drückt sich in unendlich vielen Formen aus, eigentlich als Ngakpa ist alle Erscheinung göttlich, ob wir uns besonders göttlich kleiden oder nicht.
    Die Tradition dürfen wir nicht vergessen, beginnend von der indischen Kultur, die sich in Tibet ein wenig gewandelt hat, waren doch Klima und Zeitepoche kulturel verschieden vom alten Indien. Dasselbe scheint mir jetzt abzugehen, wir sind weder Inder, noch Tibeter, wollen aber die Essenz verwirklichen und auch weiterlehren. Am besten strebt man nach verwirklichung, hat man diese wird man wie zum magier, der alles in Erleuchtung verwandelt oder zumindest wahrnimmt. Das ist meiner meinung die absolute Ngakpa-Tradition, Dein Vajrabruder Johannes

    • lieber johannes,
      vielen dank für deine anmerkungen zu den ngakpas. da die indische tradition des buddhistischen tantra sich aufgrund der politischen wirren schließlich nach tibet verlagert hat, übersieht man sehr leicht die eigentlichen wurzeln und äste. nochmals recht herzlichen dank für diese erweiterung.
      bei uns wird wohl erst in einigen jahrzehnten nach längerer praxis ein stil erblühen. der ngakpa-stil der tibeter hat ja auch auf der dort vorgefundenen kultur aufgebaut. aber wie dudjom rinpoche schon anmerkte: „… hängen an stil und gebaren wird jetzt zerstört mit verrücktem loslassen…“ also schau’mer mal…
      dein vajra-bruder


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