Verfasst von: Enrico Kosmus | 7. Februar 2011

Die drei Samadhis

Ein wesentlicher Aspekt der tantrischen Praxis sind die Phasen von Erzeugung (tib., kyerim) und Auflösung (tib., dzogrim). Diese Phasen sind in der Praxis des Dzogchen die „drei Samadhis.“ Die folgende Darstellung ist einer Belehrung des Erw. Gyatrul Rinpoche über die „Vier Arten des Kila“ entnommen. Mögen diese Belehrungen über die drei Versenkungen für die Praktizierenden des unübertroffenen Pfades von Nutzen sein.

Im Kyerim (tib., Aufbauphase; sanskr; utpattikrama) ist es wichtig, dass man die drei meditativen Versenkungen versteht und verwirklicht. Es ist egal, welche Meditationsgottheit man hervorbringt, die drei meditativen Versenkungen müssen präsent sein. Eigentlich ist es manchmal sogar unmöglich dies in gewissem Sinne zu machen, weil wir noch immer solch ein Objektverständnis haben, dass wir uns als Subjekt und Objekt in der unserer Praxis vorstellen. Dennoch sollten wir versuchen, diese Sicht zu entwickeln, die vom Gewahrsein der drei Samadhis abgeleitet ist. So können wir kurz danach in Kontakt mit der Essenz dessen, was wirklich gemeint ist, kommen.
Der erste Samadhi – über die Natur selbst, wie sie ist – ist das unmittelbare Gewahrsein der uranfänglichen Essenz – Tathagathagarbha – die Natur aller Lebewesen, das die Essenz von allem ist, was wir Samsara und Nirvana nennen. Alles das uns als Samsara oder Nirvana erscheint ist in der Ausdehnung dieser Natur zusammengefasst. Diese essentielle Natur drückt sich als alle Erscheinungen aus, was der zweite Samadhi ist. Alle Erscheinungen erscheinen aus dieser Natur. In Begriffen des Dzogchen nennt man diese ursprüngliche Reinheit und spontane Präsenz, die zweifache Praxis des Durchtrennens und Überquerens (tib. Trekchöd und Thögal). Ursprüngliche Reinheit und mühelose Gegenwärtigkeit, oder die Essenz und der Ausdruck dieser Essenz sind nicht unterschieden. Sie sind ein und dasselbe. Diese Unteilbarkeit dann, die Natur der Untrennbarkeit der Essenz und ihres Ausdrucks, ist das Erscheinen dessen, was „Tulku“ genannt wird, de ungehinderte Ausdruck der mitfühlenden Energie, die sich selbst zum Nutzen der fühlenden Wesen verkörpert. Dies ist der dritte Samadhi, die eigentliche Ursache.

Diese drei – die Natur wie sie ist, alle Erscheinungen und die Hauptursache – sind eine Natur, welche nur anscheinend verschieden erscheint. Aber wenn wir die Erzeugungsstufe praktizieren, also wie die Gottheit erscheint, wird sie aus diesen drei Samadhis geboren und nicht von irgendeinem anderen Platz. Dies scheint ein schwieriger Punkt zu sein um in die Praxis einzutreten.
Wenn wir die drei Samadhis als verschieden festlegen, und uns selbst als Praktizierenden ebenfalls verschieden von ihnen, dann wird es schwierig werden, diese Erzeugung aufzulösen. Tatsächlich ist das etwas, was nicht gemacht werden kann. Aber wenn wir die Erzeugungspraxis mit dem Verständnis der drei Samadhis angehen, mit dem Wissen, dass es die Natur des eigenen innewohnenden Gewahrseins ist und den Ausdruck, dass diese Natur der hervorgebrachten Gottheit man selbst ist, und dass das Mantra ebenfalls man selbst ist, und dass jeder Aspekte der Erzeugung man selbst ist. Und ebenso jeder Aspekt der Auflösung ist man selbst. Und auf diese Weise hat man begründet, was uranfänglich ist und was immer war. Man hat nichts aufgebaut, was nicht war, das man von irgendwoher gerufen hätte – was inkorrekt wäre. Ihr alle wisst, dass ihr keine Fehler in der Praxis machen werdet, weil es keine Hoffnung und Furcht gibt: wie die Hoffnung, dass man eine gute Hervorbringung der Gottheit hat und die Furcht, dass man es nicht macht oder es nicht ist. Das kommt nur dann vor, wenn wir glauben, dass die Gottheit von irgendwoher kommt.
Mit diesem Bewusstsein kann die Anrufung weiterhin erfolgen. Die Anrufung ist die mühelose Einladung des Ausdrucks des innewohnenden Gewahrseins, dass als der himmlische Palast, als die versammelten Gottheiten, als die Hauptgottheit, als alle Aspekte der Visualisation erscheint – der reine Bereich usw. Und genauso ist die Auflösung das Zerfallen des Ausdrucks in seine Quelle hinein – dem innewohnenden Gewahrsein. Wir lösen stufenweise den Umkreis in die Hauptgottheit auf, die Hauptgottheit in die Mantra-Silben, hinein in die Keimsilbe im Herzen. Die Keimsilbe ist die Natur des Geistes – seine Hauptursache – das innewohnende Gewahrsein. Darin verweilt man dann. Man verweilt in dem, was immer war, dies bedeutet, man hat keine Meditation an sich zu machen, weil es schon uranfänglich da ist. Jeder Aspekt der Sadhana handelt davon – der Abschnitt von Opferung und Lobpreis, einfach alles; die Opfergöttinnen, die von einem selbst als Gottheit entstehen, die der Ausdruck des innewohnenden Gewahrseins sind, erscheinen ungehindert und lösen sich wieder darin auf, die dann wiedererscheinen um zu lobpreisen und wieder auflösen.
Für jede Stufe der Visualisation ist da ein Punkt an dem man ebenso gereinigt wird. Dies wird tiefgehender in den ausführlicheren Kommentaren zu Praxis der Erzeugungsstufe behandelt. Aber was hier aufgezeigt wird, ist die Idee der uranfänglichen Präsenz und des Gewahrseins davon in der Praxis, und dass jeder Aspekt der Visualisation aus dieser Quelle entsteht. Es ist nichts, was außerhalb von einem selbst herkommt. Wenn es so wäre, würde dies einen schön müde machen – wenn man sich vorstellt, dass die spirituellen Verwirklichungen mit dem Auto kommen würden, von einem anderen Platz zu einem gebracht würden.
Diese Stufen der Praxis sind notwendig, weil sie als der Pfad bezeichnet werden. Und bis wir die Essenz wiederentdecken, benötigen wir den Pfad. Wir müssen praktizieren, da wir noch immer von unseren karmischen Störungen betroffen sind.

Sarva Mangalam!


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