Verfasst von: Enrico Kosmus | 25. September 2010

Unbeständigkeit des Ich

„Ich“ bedeutet Identifikation, womit die Gleichsetzung einer Erfahrung mit einer Äußerlichkeit gemeint ist. „Ich bin mein Körper“, beschreibt das Gleichsetzen einer Erfahrung mit dem Körper. „Ich bin ärgerlich“, setzt das (eigene) erfahrbare Dasein mit der Geschichte der erregten Energie (= Konzept des Ärgers) gleich. „Ich denke,…“ lässt mentale Welterfahrung in den Vordergrund treten. Doch all diese Identifikationen sind vergänglich. Untersucht man einmal etwas gründlicher den Vorgang der Ich-Gleichsetzung, dann kann man erkennen, dass der Geist sich immer wieder neue Objekte der Identifikation sucht. Der Grund liegt in seiner Unbeständigkeit. Diese Unbeständigkeit kann auch als die fundamentale „Unruhe des Herzens“ bezeichnet werden. In der nachhimmlischen Ordnung dieser Welt halten sich die Kräfte nicht mehr in Balance. Sie wechseln einander in einem kreativen Prozess ab. Da dieser Prozess aber für das Individuum bedrohlich erscheint, beginnt es sich mit allen möglichen (und auch unmöglichen) Objekten gleichzusetzen.

Hier beginnt nun der fundamentale Irrtum des Lebens. Der Vorgang des Identifizierens wird zu einem Automatismus und täuscht dem Menschen einen Zustand von unabhängiger Eigenexistenz vor. Dadurch verliert er die Verbindung zu seinem Urgrund. Genauso wie eine Schaumkrone nicht unabhängig vom Meer und seinen Wellen, die wiederum von Wind, Sonne, den Gezeiten und damit vom Mond usw. existieren können, ist die inhärente Existenz des Menschen eine Phantasie. Es ist wie die Vertreibung aus dem Paradies. Die Rückkehr in dieses glückbringende Land, das in den Mythen der Menschheit immer wieder beschrieben wird, ist die Wiedervereinigung mit dem ursprünglichen Geist. Es ist das Erfahren der vorgeburtlichen Ordnung der Welt, wo sich alle Kräfte noch im Gleichgewicht befinden.


Antworten

  1. Ja, ja, schön und gut, aber: leiden tu ich trotzdem. Sag jetzt nicht, dass nicht ich es bin, der leidet. Ich kenn die Sprüche alle. Sie nützen mir nichts. Nicht einen Deut.

    Der Knaller war, als ich letztens einen der höchstangesehenen buddhistischen Lehrer nebst dem Dalai Lama folgendes sagen hörte: „Sei einfach glücklich, denn das Leid ist temporär.“
    Ja super. Soviel zu Mitgefühl. Scheisse passiert? Egal, sei glücklich. Da juckts mich dann in der Faust.

    Ach, ich hab schon soviel gelesen, gesehen, gehört… grade im spirituellen Bereich. Vieles davon selbst schon gepredigt. Nur die Buddhaleins, die irdischen, sie hocken da auf ihren Samtthrönchen, umringt von tausenden von Anhängern, die können gut reden.

    Ich wünschte wohl, dass ich jemanden finden würde, der die Wahrheit spricht, wobei das noch nicht mal mit Worten geschehen muss, fals das überhaupt möglich ist. Aber: gibt es das??? Das ist mein Leiden: Die Weigerung, die Hoffnung, im Aussen zu finden, was ich suche, aufzugeben.

    Grüssle

    Barbara

    • liebe barbara,
      vielen dank für dein interesse und deinen kommentar. leiden tust du trotzdem – ja. 😉 in den sechs daseinsbereichen gibt es keinen einzigen ort ohne leiden. und das leiden ist dreifach – 1) offensichtlich (z.b. für menschen – geburt, alter, krankheit & tod etc.), 2) leiden an der veränderung und schließlich 3) leiden am leiden an sich. kauft man sich was schönes, das einen für einige zeit „glücklich“ macht, dann hat man gleichzeitig damit das leiden mitgekauft. zb. erwirbt man ein auto (und man hat die freude am fortbewegen), dann hat man damit zugleich auch die sorge mitgekauft, dass dieses auto kaputt gehen könnte, man muss versicherungen bezahlen etc. – das ganze ist wechselseitig bedingt entstanden. leid entsteht immer daraus, dass man sich selbst als mittelpunkt des erlebens sieht und sich von außen und anderen abtrennt. glück entsteht dadurch, dass man sich selbstlos um das wohl der anderen kümmert. wege, dies zu realisieren gibt’s genug.
      lg enrico


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