Im vorigen Blog über „Wirklichkeit & inneren Dialog“ habe ich davon geschrieben, wie die Welt durch Benennung und das Aufrechthalten durch den inneren Dialog – manchmal ist es ein Polylog – begriffen wird. Die Grundlage für diesen Dialog/Polylog bildet die emotionale Färbung.
Es ist dem Geist NICHT möglich NICHT zu sein. Bloßes Gewahrsein ereignet sich unaufhörlich, wird allerdings immer von den Ich-Bezügen begrenzt, blockiert. Dieser Mangel an Verständnis führt zu einem Objektanhaften, das den Fluss des Wahrnehmungserlebens einengt. Als Folge entsteht daraus die uns bekannte und erlebte Welt. Fühlende Wesen bewegen sich in verschiedenen Erlebnisbereichen. Die Bandbreite reicht von körperlich schmerzhaft, qualvoll bis hinauf in genussvolle Regionen. Doch ausnahmslos jeder Bereich ist von Unzulänglichkeit durchtränkt. Warum nur? Die Unzulänglichkeit IST der Mangel an bloßem Gewahrsein.
Eine weiße Muschel erscheint Gelb für eine Person, die Gelbsucht hat, aber sie wird weiß für eine Person ohne Gelbsucht erscheinen. Die Substanz „Wasser“ wird von den verschiedenen Wesen der vielfältigen Arten des Daseinskreislaufs gemäß ihrer jeweiligen karmischen Situation unterschiedlich erfahren. Götter erfahren es als Nektar, während die Wesen in den Höllenbereichen es als feurige Flüssigkeit erleben. Alle Erscheinen werden gemäß der karmischen Wahrnehmung der Betrachter gesehen, etikettiert und ergriffen. Man muss verstehen, dass die Art, wie man die Dinge sieht, benennt und ergreift nicht notwendigerweise wahr ist, aber der Dharma ist wahr. Wenn man den Dharma jetzt nicht verwirklichen kann, dann sollte man auf richtige Art daran arbeiten, sich in die Richtung zu bewegen, dass man fähig wird, ihn eventuell zu realisieren. Man muss das Vertrauen und die korrekte Sicht haben, das eines Tages sein wird.
Durch entsprechende Praxis kann man ein korrektes Verständnis der Dinge erlangen. In der tantrischen Tradition des Pfades zum Erwachen (= Buddhadharma) wird mit dem Geistesstrom und seinen Inhalten gearbeitet. Die Übungen der drei Aktionsebenen – Körper, Rede und Geist – reinigen die bisherigen geistigen Eindrücke und unterstützen die innewohnende Herzenweisheit bei ihrer Offenbarung, ihrem In-Erscheinung-treten. Die Erlebnishaufen (skt., skandha) werden von ich-haften Bezügen geklärt. Die Anhäufungen des Erlebens – elementare wie auch Empfindungs- und Bewusstseinsaspekte – sind jedem fühlenden Wesen zu eigen. Je nach individueller Wahrnehmungsgewohnheit baut man das Welterleben mehr oder weniger gleichbleibend auf. Dies führt zu dem Eindruck, dass die Welt so ist, wie sie eben ist. Und man selbst auch.
Erst durch entsprechende Übungen ist es möglich, die sich wiederholenden Wahrnehmungs- und Schöpfungshandlungen zu verändern. Ein besonderer Stellenwert kommt der Hingabe dabei zu. Dies werde ich in einem folgenden Blog näher ausführen.
(wie die Welt durch Benennung und das Aufrechthalten durch den inneren Dialog – manchmal ist es ein Polylog – begriffen wird.)
Dies erinnert mich an einen schönen Dialog in einem der Bücher von Carlos Castaneda, von dem ich einen Auszug wiedergebe (nachzulesen unter http://dkw.bplaced.net/wb/texte/txt_donjuan.html, Benutzer: alle – Kennwort: alle):
„Ich will dir sagen, worüber wir mit uns selbst sprechen. Wir sprechen über unsere Welt. Tatsächlich halten wir unsere Welt mit unserem inneren Gespräch aufrecht.”
„Wie tun wir das?”
„Wann immer wir aufhören, mit uns zu sprechen, ist die Welt stets so, wie sie sein sollte. Wir erneuern sie, wir stecken sie mit Leben an, wir halten sie aufrecht mit unserem inneren Gespräch. Und nicht nur das, wir wählen auch unsere Wege, indem wir mit uns selbst sprechen. Aber wir wiederholen dieselbe Wahl immer wieder bis zu dem Tag, an dem wir sterben, weil wir immer und immer wieder, bis zu dem Tag, an dem wir sterben, dasselbe innere Gespräch führen.”
By: Clemens Vargas Ramos on 12. Juli 2010
at 04:56